Regentage

27.06.- 02.07. 2021

Der zweite Teil unseres Törns mit Sarah und Chregu bestärkte uns, dass unser Lieblingsrevier kaum hier im Norden sein könnte. Die Wetterkapriolen waren für Sommerverhältnisse ernüchternd.


Während wir in Amsterdam noch einigermassen trockene Tage mit Grachtenfahrt und Sightseeing verbringen konnten, wurde das Wetter immer unbeständiger und mit 15 Grad für sommerliche Verhältnisse definitiv zu kalt. Wie gerne wären wir in Ijmuiden nochmals am Strand entlang gelaufen, gemütlich in ein Café gesessen und dem bunten Treiben von Strandsurfern, Kitesegler und Badegästen zugeschaut.

Der Strand von Ijmuiden ist leer, es ist zu kalt und die Gäste bleiben aus.

So entschieden wir uns von Scheveningen, dem letzten holländischen Hafen, gleich den langen Schlag nach Oostende zu wagen und Zeebruuge auszulassen. Ein holländischer X-Yachtsegler, der die Gegend offenbar gut kennt, riet uns Vlissingen, das nur 45 Seemeilen entfernt lag, wegen unserem Tiefgang zu vergessen – kein Einlaufen möglich ohne Hochwasser – und den „nice harbour“ in Oostende anzupeilen. Nun gut, die Fahrt dorthin war von falschem Wind platt von hinten und einem Gewitter geprägt, das uns wenig aufmunterte. Vor allem war Regi durch und durch nass, da ihr alterschwaches Regenzeugs unbrauchbar geworden war. Hinzu kam, dass der „nice harbour“ gar nicht so nice war, da er für uns zu wenig tief und die Schleuse für den tidenunabhängigen Hafen abends um sieben Uhr schon geschlossen war. Erschöpft und nass legten wir am erst besten Steg an, bis wir merkten, dass wir bei Ebbe (4 m Tidenhub!) im Schlick stehen würden und nochmals „umparkieren“ mussten.

Der Notplatz bei Ankunft in Oostende …
… der definitive Platz, dafür in der Hafeneinfahrt und in dichtestem Nebel

Fussball-EM: Die Schweiz schlägt das grosse Frankreich. (Bild: Spiegel.de)

Am folgenden Tag war das Wetter zwar nicht besser und ein Rundgang am Strand von Oostende offenbarte die grauenhafte Hochhäuserarchitektur, die sogar die Leute charmlos erscheinen liess. Wie kann man nur an solch einem Strand mit Vergnügen baden?
Das einzig Positive war der Fussballmatch der Schweiz gegen Frankreich, den wir zwar frierend in einer schummrigen Bar verfolgen konnten, aber Regi und mich nach dem 1:3 Rückstand in der Halbzeit bewog, die warme Koje dem Spiel vorzuziehen. OK, wir geben zu, wir haben ein historisches Spiel verpasst. Die Schweizer warfen die Franzosen nach dem Penaltyschiessen aus dem Turnier! Sarah und Chregu kamen um Mitternacht euphorisch an Bord und glaubten uns die Sensation erst am Morgen mitteilen zu dürfen. Ein bisschen reute es uns schon.

Von nun an ging es nur noch in kleinen Sprüngen vorwärts. Zuerst war Nieuwpoort an der Reihe und Regi kriegte endlich ihr neues Ölzeug – das beste von Henry Lloyd. Wie gut es ist, konnten wir schon am nächsten Tag ausprobieren. Die Marina stellte uns tolle Velos zur Verfügung, da dieser Ort – mit 2500 Yachten eine der grössten Marinas Nordeuropas – sehr weitläufig ist und wir so eine kleine Stadttour machen konnten. Für einmal regnete es nicht, dafür waren immer noch Mütze, Schal und Windbraker angesagt.

Regi kriegt ein neues Ölzeug – das Beste
Die Altstadt von Nieuwpoort ist ganz nett

Den Schlusspunkt dieses Törns bildete Dunkerque oder Dünkirchen, obwohl wir geplant hatten, bis Calais weiterzusegeln. Die achtzehn Meilen dorthin segelten wir – wie könnte es anders sein – mehrheitlich im Regen, dafür mit ansprechendem Wind. Dank Tidenstrom und nur mit der Fock schafften wir acht bis neun Knoten. Der Hafenplatz in der Marina „Grand Large“ war zwar zuerst nicht so „grand“, so dass wir wieder einmal das Anlegen wiederholen mussten.
Doch dann kam am nächsten Tag endlich die Sonne hervor und wir konnten an diesem historischen Strand entlang laufen, wo 1940, während des zweiten Weltkriegs, in einem historischen Akt rund 350’000 britische und französische Soldaten unter Zurücklassung ihrer gesamten Ausrüstung im letzten Moment vor Hitler nach England zurück gebracht worden waren. Hinweistafeln mit Fotos erinnern daran, wie Churchill – „We will not surrender„! – sich gegen die Meinung der Regierung durchsetzte und in einem riskanten Manöver mit allen verfügbaren Schiffen bis hin zu kleinen Fähren und Motorbooten, seine Soldaten vor Hitler rettete. (>Operation Dynamo)

Der wunderbare Strand von Dunkerque.
Für einmal eine attraktive Seafront mit kleinen Hotels.
Hier warteten vor 81 Jahren die britischen Soldaten auf ihre Rettung.

Da die Sonne sogar am zweiten Tag noch schien, war nochmals ein Hafen- resp. Strandtag angebracht. Vor allem fanden wir eine Bar, wo wir heute Abend noch das entscheidende Viertelfinal zwischen der Schweiz und Spanien werden anschauen können. (Die Schweiz verlor übrigens tragisch im Penaltyschiessen!)
Am Samstagmorgen stiegen Sarah und Chregu in aller Frühe auf den TGV nach Basel und wir werden in einem Nachtschlag gleich bis Cherbourg durchsegeln. Das Wetter soll nämlich schon wieder umschlagen und einem Sturm wollten wir zu zweit tunlichst ausweichen. Danach werden uns Reini und Erika als erfahrene Nordseesegler durch die schwierigen Verhältnisse in der Nordbretagne lotsen und uns voraussichtlich bis Brest begleiten, wo wir dann die einmonatige Sommerpause antreten werden.

Segelstrecke: Den Helder – Ijmuiden, Ijmuiden – Amsterdam, Amsterdam – Scheweningen, Scheweningen – Ostende, Oostende-Nieuwport, Nieuwport – Dünkirchen. Total: 185 sm

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