Die Überfahrt 2025

16. – 27. Juni 2025

Zwei Wochen blieben uns, um uns von den italienischen Segelgebieten zu verabschieden und in unser neues Heimatrevier der ionischen Inseln niederzulassen. Zum letzten Mal besuchten wir die Häfen der Nordküste von Sizilien, überquerten die Strasse von Messina und segelten entlang dem italienischen Stiefel bis nach Korfu. Es gab einiges zu erleben.

Die rare Ware Wind

Zum vierten Mal versuchten wir das Wenige an Wind auszunutzen, als wir am Dienstag, nach Erledigung der letzten Reparaturen in der Marina Villa Igiea in Palermo ablegten. Luigi hatte Wort gehalten und am Montag endlich unser WC wieder sch..tauglich gemacht. Der Abflussschlauch war voll verkalkt, da ging gar nichts mehr durch. Mit der Souveränität von echten Profis und vielen Verrenkungen, da Hanse alles schön hinter Möbel versteckt montiert hat, schafften sie die Montagearbeiten in drei Stunden.

Um 13.30 Uhr konnten wir endlich ablegen, füllten noch die zwei Dieseltanks (Wochenverbrauch 105 Liter!) und motorten in vier Stunden nach Cefalù. Heute ankerten wir vor dem Hafen und sparten rund € 105. Die erste Etappe Richtung Griechenland war geschafft!

Bei diesem WC-Schlauch geht gar nichts mehr durch!
Tutto a posto“ – Wir schaffen das!

Milazzo – ein historischer Kriegsort

Am Morgen schien zwar mit etwas Bewölkung Wind über die Hügel von Cefalu aufzukommen und wir konnten tatsächlich für eine viertel Stunde segeln. Doch dann fiel der Wind wieder zusammen und wir waren gezwungen, wieder zu motoren. Das letzte Mal, dass wir von diesem Segelgebiet enttäuscht wurden. Erst 15 Meilen vor dem Ziel regte sich eine schwache Brise von acht bis neun Knoten, so dass wir mit Gross und Reacher dem heutigen Ziel (Capo d’Orlando) näher kamen. Diesmal ging es einfacher, da der Bugstrahler nun endlich wieder funktionierte. Regi konnte von den tollen Waschmaschinen und Tumblern profitieren und die Wäsche der letzten zwei Wochen waschen.

Heute Mittwoch war es gewittrig und recht drückend heiss. Am Anfang konnten wir mit dem Reacher bei 10-12 Knoten segeln, aber da wir vor dem Gewitter im Hafen sein wollten, beschleunigten wir die Sache und warfen den Gockel an. Um 14 Uhr legten wir schon in der kleinen Marina von Milazzo längssseits neben den vielen Fähren an. Und genau das war das Problem: Der Swell liess die Sarabella auf und ab tanzen und weil der Steg so niedrig war, musste man die Fender quasi auf Wasserhöhe anbringen, damit sie nicht auf den Steg gedrückt wurden.

Wir hatten Glück: Die Gewitter blieben westlich von uns!
Marina di Milazzo: Sieht ordentlich aus, aber es täuscht. Der Schwell der Fähren drücken die Sarabella auf den Steg.

Am Donnerstag machten wir wieder mal einen Hafentag und erkundeten Milazzo Stadt. Das historische Highlight war die riesige Befestigungsanlage (Castello di Milazzo) über der Stadt. Hier fanden vor 300 Jahren die grössten strategischen Schlachten statt, da man mit der Eroberung von Milazzo offenbar die Macht über ganz Sizilien bekam. Später wurde es bis 1960 als Gefängnis genutzt und blieb bis 1990 vernachlässigt bevor es aufwändig renoviert worden war.

Der Eingang zum Castello …
hier befand sich bis 1960 der Gefängnishof …
… tolle Aussicht und strategisch wichtig.

Last Stop Messina

Heute war unser letzter Segeltag auf Sizilien und er glich den vergangenen: Wenig Wind und viel motoren. Ein letzter Blick zurück auf Milazzo beeindruckte uns nochmals mit der Dominanz des Castello.

Nach 15 Meilen umrundeten wir um 12.50 Uhr die Nordostecke von Sizilien; ein Meilenstein. Damit hatten wir mit den Törns der letzten zwei Jahre ganz Sizilien umrundet! An diesem Nadelöhr, dass nur drei Kilometer breit ist, soll dieses Jahr das Jahrhundertprojekt einer der grössten Hängebrücken starten. Man rechnet mit acht Jahren Bauzeit und Kosten von 15 Milliarden Euro! Im Hafen gB es noch Hafenkino vom Feinsten: Es legTen gleich zwei Kreuzfahrtschiffe unmittelbar vor uns ab.

Das monumentale Brückenprojekt zwischen Sizilien und Kalabrien. 15 Milliarden teuer!
Marina von Messina – praktisch aber exponiert.

Die Reise um den Stiefel

Zum letzten Mal schauten wir um 06.00 Uhr zurück nach Sizilien und überquerten die Schifffahrtsstrasse von Messina. Kalabrien empfing uns mit einem wunderbaren Sonnenaufgang. Mit Windstärke fünf kamen wir mit acht bis neun Knoten unter Reacher anfangs gut voran. Doch kaum waren wir um die „Zehe“ des Stiefels gesegelt, fiel der Nordwind zusammen.

Bild: Über Kalabrien bilden sich zum Sonnenaufgang schon die ersten Gewitterwolken.

Bis zur Südspitze von Italien, dem Capo Spartivento liess uns der Wind im Stich. Dann wechselten sich wegen Gewitterstörungen die Verhältnisse viertelstündlich, einmal mussten wir sogar das Grosssegel reffen. Um 16.30 Uhr meldeten wir uns bei der Hafeneinfahrt der Marina della Grazie in Rocello Ionica an, da er bei unserem Tiefgang von 2.40 m wegen Versandung nur mit einem Pilotboot der Marineros befahren werden darf. Der Alarm piepste unaufhörlich, wir hatten gerade noch 20 cm Luft unter dem Kiel. Beim Anlegen drehte der Wind urplötzlich, die Fender waren auf der falschen Seite und nur dank der schnellen Reaktion der Marineros blieben wir von Kratzern verschont. Wir hatten 66 Meilen geschafft, aber nur 14 unter Segel zurück gelegt. Der Marinapreis stimmte für einmal: € 85. Es hatte ein super Restaurant im Hafen, wir liessen es uns nach diesem anstregenden Tag gut gehen.

65 Meilen bis Rocello Ionica – der längste Schlag bis Griechenland.

Die doofe Sandbank

Dieser Tag (notabene Sonntag) hatte es in sich. Zuerst versuchten wir nach dem Motto „es wird schon schiefgehen“ ohne Pilot aus der Marina Rocella Ionica rauszukommen, da er über Funk nicht geantwortet hatte und sassen prompt auf der Sandbank fest, so dass der Marinero, der dann doch noch kam (!) uns runterstossen musste. Es war nichts passiert, da es nur Sand war. Die Anzeige auf der aktuellen Navionics App war auf jeden Fall unbrauchbar. Es wäre aber gescheiter, wenn die Marina das brauchbare Fahrwasser mit Bojen begrenzen würde! Nach diesem Intermezzo mit einem Adrenalinschuss (!) sah es wieder nach einem gemütlichen „Sonntagsfährtli“ aus, wir kreuzten gemächlich bei acht bis zehn Knoten Wind gegen Crotone zu.
Dann wechselte der Wind innerhalb von Minuten um 60 Grad und nahm auf Windstärke fünf zu. Wir hatten alle Hände voll zu tun um Schwimmwesten anzuziehen und zu reffen, da sich dann auch noch ein ekliger Wellengang aufbaute, der die Sarabella in die Täler knallen liess – kein schönes Geräusch!

Die wandernde Sankbank vor der Marina lässt uns kurz aufsitzen. Navionics ist unbrauchbar!
Crotone – die schöne Altstadt ….
… und versteckte Gäschen.

Eine Stunde später gab der Wellengang glücklicherweise nach und das Rodeo war vorbei. Ein Dreher um vierzig Grad zu unseren Gunsten liess uns parallel zur Küste segeln. Das Navi berechnete gleich mal einen neuen ETA (Estimated Time of Arrival) von 19 statt 21 Uhr. Am Capo Rizzuto – immer noch zwanzig Meilen vor Crotone – fiel der Wind endgültig zusammen und wir mussten den Rest motoren. Um 19.40 Uhr legten wir nach 67 Meilen ein bisschen erschöpft in Crotone an. Regi hatte zum Glück das Nachtessen schon vorbereitet – Menu surprise – und um zehn Uhr legten wir uns nach einer obligatorischen Runde Rummy Cup in die Koje..

Am nächsten Tag erholten wir uns und schauten uns in der Stadt um (40’000 Einwohner), die auf den ersten Blick keinen sehenswerten Anblick hergab. Kalabrien gilt ja als Armenhaus von Italien (40% Jugendarbeitslosigkeit). Doch dann fanden wir doch noch einige authentische Gassen im „Centro Storico“, und auf dem riesigen Gemüsemarkt konnten wir uns mit den besten Früchten eindecken. Es hatte sogar einen paradiesischen Comestible. Trotz dem bescheidenen Lebensstandard geben die Kalabresen offenbar alles wenn es ums Essen geht. Wir wollten es ihnen gleichtun und kauften den besten Fisch am Markt – frisch aus dem Meer.

Crotone hat den besten Comestible-Laden ….
und die Fische gleich frisch vom Meer.

Arrivederci Italia !

Um 05.30 Uhr hiess es heute aufstehen, denn wir hatten 70 Meilen bis zum letzten italienischen Hafen am Stiefelfersen (Leuca) vor uns. Die Windprognosen waren einmal mehr wenig verheissungsvoll: Vier bis acht Knoten Wind. Ab acht Knoten (Windstärke drei) können wir mit akzeptabler Geschwindigkeit die Segel setzen. Dafür war die Morgenstimmung mit dem glitzernden Wasser einmalig. Leider reichte das nur für zehn Meilen, den Rest mussten wir unter motoren. Das war wenig spannend und doch war es immer notwendig Ausguck zu halten. Einmal mussten wir einem fünf Meter langem Baumstamm ausweichen – das hätte recht geknallt! Nach zwölf Stunden legten wir um 18 Uhr in der Marina an.

Glitzerstimmung am Morgen …
… Baumstämme am Nachmittag.
Die letzte italienische Marina in Leuca.

Kalimera Griechenland !

Heute hatten wir endlich den Wind, auf den wir zwei Wochen gewartet haben: Zehn bis zwölf Knoten (Windstärke drei) und ein Amwindkurs! So muss Segeln sein und Italien zu verlassen, fiel uns tatsächlich leicht. Leuca verschwand schnell bei acht Knoten Fahrt im Dunst und in der Strasse von Otranto mussten wir lediglich auf die Berufsschifffahrt aufpassen. Wenn man aber deren Funkgespräche zuhört, zweifelt man an deren navigatorischen Kompetenz.

Wie Profis funken!
Wir sind nach zwei Jahren wieder zurück in Griechenland!

Nach 50 Meilen herrlichem Segeln unter Reacher und Gross waren wir wieder – nach zwei Jahren Exil – in griechischen Heimatgewässern. Wir ankerten auf der Insel Ericoussa. Morgen hiesses zuerst mal Ausklarieren im benachbarten Albanien um die EU-Steuergesetze einzuhalten, bevor wir in die Gouvia Marina in Korfu werden einlaufen können.

Der neue Heimathafen Gouvia Marina

Am Nachmittag ankerten wir kurz vor dem Hafen von Saranda, um unsere Papiere der Agentin zu übergeben. Keine viertel Stunde später stand sie mit den Ausklarierungspapieren am Quai, ich musste nicht mal aus dem Dingy steigen. Nach zwei Stunden hatten wir unseren Meilenstein erreicht: 2500 Meilen in zwei Monaten! Wir legten in der riesigen Gouvia Marina in Korfu an. Jetzt kam der griechische Agent an Bord und am Abend hatten wir unser Transitlog (Segelerlaubnis für Griechenland) erhalten.

Wir sind eine von rund 1400 Yachten.
Die schönsten Momente der Überfahrt.

Für die nächsten drei Wochen kommt unsere Familie mit Kinder an Bord und wir werden die ersten Ankerplätze und Inselnorte erkunden. Danach werden wir eine fünfwöchige Sommerpause einlegen.


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